Ich bin schon ein älterer Jahrgang, 49 Jahre. Gerne erinnere ich mich an meine Sprachlernzeit vor dem Studium 1982/1983 in England zurück! Ich war für fast zwei Jahre als Au Pair mit der YMCA (Young Mens`Christian Association) in London, der Verein wies mir eine Tauschfamilie und eine Sprachschule zu. Letztere war das Westminster College in London, ein multinational besuchtes öffentliches Sprachkolleg.
Meine Au Pair-Zeit war hart, und wie sich herausstellte, meine Familie leider nicht sehr gastfreundlich. Aus heutiger Sicht betrachtet suchten er, Amtsrichter, und sie, Journalistin, mit ihren beiden Kindern im wesentlichen eine billige Betreuungs- und Haushaltskraft. Ich hatte von morgens bis abends Hausmädchen-Pflichten wahrzunehmen wie das Wecken der Familie, die Frühstückszubereitung, die Betreuung der Kinder, Bügel- und Putzarbeiten, das Brennholzsammeln für den Kamin, Einkäufe und Erledigungen. Außer mir gab es noch eine Köchin und eine Zugehfrau für die groben Reinigungsarbeiten.
Für den mittäglichen College-Besuch blieb wenig Raum. Auch mein politisch-journalistisches Hobby kam zu kurz. Ich war damals in einer Jugendorganisation aktiv, die sich für selbstverwaltete Zentren und gegen die von der "Iron Lady" Margaret Thatcher (Premierministerin von 1979 bis 1990) verordneten Sparmaßnahmen im Jugendbildungsbereich einsetzte. Es war die Zeit der "Brixton Riots", Migranten gingen auf die Straße, um sich gegen ihre Diskriminierung und schwierige Lebensbedingungen zu wehren. Da hatte ich nichts mit Hausmädchen spielen im Sinn. Vor mir hatte die Familie ein spanisches Au Pair beschäftigt, die hatte sich wohl mühelos angepasst.
Nach acht Wochen hatte ich genug, zumal ich nur 60 Pfund Taschengeld im Monat bekam. Ich beschwerte mich bei der Au-Pair-Vermittlung, die mich nett beriet und mir ohne Wimperzucken eine Art Lehrstelle in einem Student´s Residents` Hostel in Kensington zuwies. Ich wohnte und arbeitete seitdem bis zum Ende meines Sprachlern-Aufenthalts im renommierten Queen Alexandra´s House. Männerbesuch und Besuch nach 20 Uhr war nicht erlaubt, immerhin hatte ich ein winziges Dachzimmer mit Bett, Tisch und Schrank für mich. Wir arbeiteten in zwei Schichten von 7 bis 11 und von 16 bis 22 Uhr, Tätigkeitsschwerpunkte waren Dienst im Speisesaal und am Büffett, Zimmerservice und -reinigung. Für das Sprachstudium hatte ich mittags trotzdem mehr Zeit. (N.B. würde ich heute meinen Gaststätten-Gehilfinnenbrief dafür einklagen!)
Das Westminster College hatte damals Klassengrößen von 15 bis 23 Schülern, also vergleichbar mit einem normalen Kolleg. Der Beitrag war sehr günstig, die Fächer allgemeiner Spracherwerb und Fachenglisch für den individuellen Gebrauch gut strukturiert. Wir waren Schülerinnen und Schüler, die nebenbei hier arbeiteten oder studierten, und kamen unter anderem aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Lateinamerika. Eine jungen Mann aus Irak lernte ich dann persönlicher kennen, leider "verlor" ich ihn an eine blonde Schönheit seines Alters aus Polen (er war 29 und sie 27, ich hingegen erst 19). Dafür lernte ich einen netten Engländer kennen, der mir ein Haus mitsamt Küche und Kinderzimmer, romantisch und auf einer Klippe in Cornwall am Meer gelegen, anbot! Da flüchtete ich, beendete meine Sprachprüfung (das C.P.E., Certificate of Proficiency in English) und verließ dann Margaret Thatcher´s Britain, um in Berlin zu studieren. 1984/85, zur Zeit des Miner´s Strikes, kehrte ich dann als Auslandsstipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Großbritannien zurück. Diesmal nach Coventry, wo ich an der Fachhochschule für Kunst und Medien studierte und in einer studentischen Hausgemeinschaft wohnte.
Das City of Westminster College gibt es übrigens noch immer: www.cwc.ac.uk. Auch die Au Pair-Vermittlung existiert: Sie firmiert jetzt, noch besser strukturiert und vernetzt, unter www.aupair-invia.caritas.de. Ich würde diese Sprachschule und die Au Pair-Vermittlung noch immer uneingeschränkt empfehlen, die Gastfamilie sollte man/frau vor dem Austausch allerdings näher "beschnuppern". (Ich hatte damals nur die Möglichkeit, Briefe zu schreiben, und sehr kurz anzurufen.) England`s calling!